Interview mit dem Chemnitzer Ehrenbürger Christoph Magirius
aus der Broschüre "Zwei Namen eine Stadt"
Spurensuche zur Rückbenennung von Karl-Marx-Stadt in Chemnitz

Foto: Wolfgang Schmidt
Was hat die Menschen 1989 bewegt, gemeinsam aufzustehen?
Wir waren ohne Spielraum, ohne Freiheit. Alle Welt fuhr in die Welt und wir nicht.
Es gab aber auch keine Argumentation, warum das so ist. Es redete niemand mit den Menschen. Und da haben 1989 die Menschen gesagt: Hier können wir nicht mehr leben, das wollen wir nicht mehr mitmachen. Jeder war tief inspiriert und sagte: Ich will reisen, ich will meine Meinung sagen, ich will hinziehen, wo ich will.
Auf dem Land lastete ein unheimlicher Druck.
Welche Rolle hatte die Kirche in diesem Prozess in Karl-Marx-Stadt?
Die Kirche war für viele ein Schutzraum, wir waren unabhängig. Unsere Friedensarbeit hat eine große Rolle beim Gang auf 1989 zu gespielt.
Hatten Sie Angst?
Ja, schon. Ich war Staatsfeind Nummer Eins. Aber man muss auch sagen: Uns ging es an sich in der Kirche gut. Wir hatten einen gewissen Schutz.
Und dann kam der Oktober.
Ja, da wurde deutlich: Es muss einen Dialog geben. Die Leute müssen die Chance bekommen, endlich einmal zu sagen, was sie wollen. Und die Staatsvertreter müssen sich dem stellen. Wir hatten jeden Tag Gespräche in der Johanniskirche. Es gab die Erwartung: Jetzt muss etwas passieren. Am 7. Oktober war dann der Schweigemarsch und es eskalierte. Der Mut nahm zu. Nun war es reif.
Sie haben maßgeblich an den Verhandlungen mitgewirkt, so auch am Runden Tisch. Warum?
Mir lag sehr daran, dass es gut geht. Ich war Vermittler und konnte mitunter eskalierende Dinge abfangen. Aber viele andere haben genauso intensiv gearbeitet.
Unter anderem auch die Initiative, die sich für die Rückbenennung der Stadt eingesetzt hat. Haben Sie das mitbekommen?
Ja, das war wichtig. Viele konnten sich damit identifizieren. Ich habe auch für Chemnitz gestimmt. Es war mir sonnenklar, dass man sich der Geschichte einer Stadt von Jahrhunderten stellen muss.