Fritz50: Mobilität im Fritz-Heckert-Gebiet
Mit dem Umzug vom stadtnahen Altbau in eine Neubauwohnung am Stadtrand änderte sich nicht nur die Art des Wohnens der neuen Mieter, auch das Verkehrsverhalten wandelte sich. So gingen in Altbauvierteln noch 25 Prozent der Bewohner zu Fuß zur Arbeit, in den Neubauvierteln waren es 8 Prozent.
Gleichzeitig nutzten in den Altbauvierteln 11 Prozent ihr Auto, um zum Arbeitsplatz zu gelangen, in den Neubaugebieten 21 Prozent. Ursachen für diese Entwicklung lagen einerseits in den längeren Wegen die zurückgelegt werden mussten, andererseits aber auch im ab 1975 zunehmenden einsetzenden Übergang vom öffentlichen Nahverkehr hin zum Individualverkehr.
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Hinweis:
Die Texte stammen von Autor und Historiker Norbert Engst. Die Stadt Chemnitz dankt für die wertvolle Unterstützung und Mitarbeit.

Foto: Sammlung Engst
Vorgaben zur Stellplatzanzahl in den DDR-Neubaugebieten wurden wiederholt nach oben korrigiert. Forderte die Deutsche Bauordnung 1958 noch 110 bis 130 Stellplätze pro 1.000 Einwohner, waren es 1969 schon 200. Ab 1975 lag die Vorgabe bei einem Stellplatz pro Wohnung.
Dies hätte 32.000 Stellplätze im Fritz-Heckert-Wohngebiet bedeutet. Aus dieser Forderung resultierte Anfang der 1990er Jahre die Expertenempfehlung, zusätzlich zu den 18.000 bestehenden Parkplätzen im Wohngebiet weitere 13.000 zu schaffen. Parallel zur Planung der großen Neubaugebiete der DDR untersuchten ab 1972 mehrere Studien die ideale Anordnung von Großraumparkplätzen in Bezug zur Wohnung.
Einerseits sollten die Quartiere verkehrsfrei und ruhig gehalten werden, andererseits sollten Sichtbeziehungen zwischen Wohnung und Auto bestehen und der Weg zwischen Parkplatz und Haustür möglichst gering sein. Wird dies nicht gewährleistet, könne Unruhe bei den Fahrzeugbesitzer:innen auftreten oder zum Wildparken übergegangen werden, wodurch wiederum jene Bewohner:innen belästigt werden, die kein Auto besitzen.

Foto: Sammlung Engst
Eine Kfz-Nutzung der besonderen Art stellten Autorennen im Heckert-Gebiet dar. Auf hohes Interesse stießen die wiederholt ausgetragenen Kart-Rennen auf der Usti nad Labem und die Wismut-Rallye die zwischen 1984 – 1989 auf der Wladimir-Sagorski-Straße gastierte. Zur Wismut-Rallye am 26. Oktober 1987 besuchten über 4.000 Gäste das Spektakel im Wohngebiet.
Bei der Befragung der bisher umfangreichsten Sozialstudie im Jahre 1996 nach den größten Defiziten im Wohngebiet verwiesen die Interviewten an erster Stelle auf mangelnde Parkplätze. Erst an zweiter Stelle verwiesen sie auf den Zustand der Grünflächen. Es bestand also von Beginn an eine enge Bindung von Wohnen und Autofahren.
Die besondere Affinität zwischen Heckert-Bewohner:innen und Automobil ist auch in der Kriminalitätsstatistik 1992 sichtbar. Wurden innerhalb eines Jahres in Bernsdorf acht jugendliche Fahrer ohne Führerschein angetroffen, waren es auf dem Sonnenberg und in Kappel jeweils sieben, in Markersdorf elf. Nach der Wende wurde diese Art der Freizeitgestaltung zusätzlich von zurückgelassenen und aufgegebenen Autos unterstützt.

Foto: Stadtarchiv Chemnitz
Als die Stadt Chemnitz zusammen mit den Großvermietern ab 1996 mehrere Mietparkplätze und Stellplätze am Rand der Quartiere errichten ließ, blieb die Nachfrage von Seiten der Bewohnerschaft jedoch aus. Man parkte einerseits gern weiterhin kostenlos, das war man gewohnt. Andererseits wollten die Autobesitzer ihre Fahrzeuge wohnungsnah und in Sichtweite der Wohnung abstellen und einen direkten Blickbezug haben.
Es kann vermutet werden, dass die Einwohner:innen des Fritz-Heckert-Gebietes ebenso viele Geschichten und Erinnerungen an das eigene Fahrzeug pflegen wie an ihre Wohnung.
Am 17. und 18. August 2024 besteht anlässlich der Feierlichkeiten zum 50. Jubiläum des Wohngebietes Gelegenheit, diese Erinnerungen aufleben zu lassen. Interessierte, die mit ihrem DDR-Fahrzeug am 17. August an der Fahrzeugschau "Pappe trifft Platte" teilnehmen möchte, können sich unter www.fritz-50.de oder fritz_50@email.de anmelden.